15.12.2023 - Im Rahmen des Berufsschulunterrichts nutzen sowohl die Mittelstufen als auch die Oberstufen der Sozialversicherer mit ihren beiden Lehrern, Carsten Recktenwald und Christian Bittner, wieder die Möglichkeit, Theorie und Praxis miteinander zu verknüpfen.
Am Freitag, 24.11.2023, stand für die VSM1 und VSM2 der gemeinsame Besuch einer Verhandlung vor dem Dortmunder Schwurgericht auf dem Programm. Schwurgerichte sind besondere Spruchkörper am Landgericht, die nur mit Kapitalverbrechen, wie z.B. Mord, Totschlag oder Geiselnahme mit Todesfolge, befasst sind. Beide Klassen nahmen an einer Verhandlung gegen einen jungen Mann teil, dem der sexuell motivierte Mord an einer 25-jährigen Frau zur Last gelegt wird (sog. „Mordfall Hannah“ oder „Mord am OLG-Teich“).
Die Auszubildenden konnten hier ihre erlernten Kenntnisse im Bereich des Straf- und Strafprozessrechts überprüfen und die Arbeitsweise des Gerichts, der Staatsanwaltschaft, der Verteidigung, der Nebenklage und der Adhäsionskläger beobachten. Emotional stark berührt lauschten die Auszubildenden den Zeugenaussagen weiterer Geschädigter und auch den Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen.
Am Mittwoch, 29.11.2023, war der Landtag NRW in Düsseldorf das Ziel der beiden Mittelstufenklassen der Auszubildenden zum/ zur Sozialversicherungsfachangestellten. Auf Einladung des hiesigen Landtagsabgeordneten, Ralf Stoltze, erhielten die Auszubildenden einen wirklich sehr interessanten Einblick in den Gesetzgebungsprozess, den Tagesablauf von Landtagsabgeordneten und die Arbeitsweise des Parlaments.
Nach der Anreise, dem Sicherheitscheck und einem gemeinsamen Frühstück nahmen die Klassen zunächst an einem informativen Vortrag zur Historie des deutschen Föderalismus, der Geschichte des nordrhein-westfälischen Landtags und den Funktionen des Parlaments teil. Auch das Gebäude des Landtags wurde hier präsentiert. Hieran an schloss sich der ca. einstündige Besuch einer Parlamentsdebatte auf der Zuschauertribüne. Das Schicksal meinte es hier sehr gut: aufgerufen wurde die erste Lesung zum Haushalt 2024, welche traditionell eine Generaldebatte beinhaltet, in welcher sich Regierung und Opposition teilweise sehr emotional und lautstark beharken. Nahezu jeder Platz auf der Regierungsbank und den Abgeordnetenplätzen war besetzt.
Tief beeindruckt nahmen die Auszubildenden anschließend an einem informellen Austausch mit Ralf Stoltze, MdL und auch Anja Butschkau, MdL – beide sind Landtagsabgeordnete für Dortmunder Wahlkreise – teil. In der einstündigen Diskussion ging es vor allem um die Themen „bezahlbarer Wohnraum“ und „Sicherheit in Dortmund“. Ein gemeinsamer Spaziergang vom Landtag entlang des Rheins hin zur Düsseldorfer Altstadt und der Besuch des Weihnachtsmarktes rundeten den sehr ereignisreichen Tag ab.
Über den Besuch des Bundessozialgerichts berichtet dankenswerterweise die Auszubildende Jana Top:
Am 12. Dezember 2023 hatten wir, die Auszubildenden der VSO1 und VSO2, die seltene Gelegenheit, das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel-Wilhelmshöhe zu besuchen. Gemeinsam mit unseren Lehrern, Herr Recktenwald und Herr Bittner, wurden wir zu Revisionsverhandlungen im Bereich des Krankenversicherungsrechts, Beitragsrechts und Sozialhilferechts eingeladen. Der Tag versprach spannend und lehrreich zu werden.
Nach einer angenehmen Anreise und einer kurzen Stärkung begannen die ersten Verhandlungen. Wir teilten uns auf und entschieden uns für einen der Säle.
Bei den Verhandlungen zum Krankenversicherungsrecht ging es um einen Rechtsstreit über die Vergütung einer Krankenhausbehandlung. Das Krankenhaus hatte eine höhere Summe berechnet bzw. eine andere DRG-Fallpauschale abgerechnet, als die Krankenkasse gezahlt und vorgesehen hatte. Das Krankenhaus hatte daraufhin geklagt und die Krankenkasse hatte die Forderung teilweise gezahlt, aber ohne Anerkennung einer Rechtspflicht. Das Krankenhaus hatte den Rechtsstreit daraufhin für erledigt erklärt, die Krankenkasse hatte dem allerdings nicht zugestimmt, da die DRG-Fallpauschale bzw. der Diagnoseschlüssel weiterhin nicht richtig angegeben wurde. Das Sozialgericht hatte entschieden, dass der Rechtsstreit erledigt sei, und das Landessozialgericht hatte die Berufung der Krankenkasse abgelehnt. Die Krankenkasse hatte nun Revision eingelegt und letztendlich Zustimmung vom Bundessozialgericht erhalten.
Auch in den Verhandlungen zum Beitragsrecht gab es Meinungsverschiedenheiten zwischen verschiedenen Parteien. Die Klägerin ist eine eingetragene Genossenschaft. Der Vorstand besteht aus einem hauptamtlichen Mitglied und zwei weiteren Mitgliedern. Die Beigeladenen erhielten eine Vorstandsvergütung. Die Beklagte – die Deutsche Rentenversicherung – fordert daher Sozialversicherungsbeiträge von der Klägerin für die Beschäftigung der Beigeladenen. Das Sozialgericht hat die Forderung abgelehnt und das Landessozialgericht hat die Klage teilweise abgewiesen. Die Beigeladenen wurden als ehrenamtlich tätig angesehen und nicht als abhängig beschäftigt. Die Rentenversicherung legte nun Revision ein und argumentiert, dass der Vorstand auch ein Verwaltungsorgan ist. Nach Abwägung der Argumente überwogen die Merkmale einer versicherungspflichtigen Beschäftigung in der Renten- und Arbeitslosenversicherung und die Rentenversicherung erhielt somit Recht.
Die Revisionsverhandlungen im Krankenversicherungs- und Beitragsrecht boten uns einen wertvollen Einblick, den wir mit unserem Wissen aus dem Praxisalltag in den Krankenkassen und auch den Berufsgenossenschaften gut verknüpfen konnten. Wir konnten die verschiedenen Standpunkte der Parteien gut nachvollziehen und dem roten Faden der Verhandlung folgen. Die Bedeutung von Gesetzen und Vorschriften im Sozialrecht wurde dadurch besonders hervorgehoben.
Wir bedanken uns herzlich für die Einladung und die spannenden Einblicke in das Bundessozialgericht. Wir sind froh über die Möglichkeit, dass wir die Verhandlungsabläufe einsehen durften und hoffen auf weitere interessante Verhandlungen bei den Besuchen unserer Nachfolger!
Für den Bildungsgang der Sozialversicherungsfachangestellten: Jana Top (Auszubildende VSO2) und Christian Bittner