12.05.2015 - Schüler/-innen der DZKSOB besuchten einen Workshop in der Hauptschule Innenstadt West. Teamgeist, Fairplay, Respekt und Spaß: Diese wichtigen Lektionen vermittelte das Team vom „Spirit of Football“ beim Graffiti-Workshop und anschließendem Kicken spielerisch.
„…und wenn ich sage ‚Okay?‘, dann sagt Ihr ‚Alright!‘. Das ist ein wichtiges Ritual bei uns.“
Hört sich ein bisschen an wie Boot-Camp. Ist es aber nicht, was allein schon an den Turnschuhen der fünf Akteure auf der Bühne zu erkennen ist. „Okay?“ Das „Alright“ bleibt aus. Hat halt noch keiner so richtig verstanden. Aber der Mann mit dem Mikrofon zeigt sich geduldig. Und wo woanders sofort mit 50 Liegestützen bestraft worden wäre, fragt er höflich nach. „Nochmal: ‚Okay?‘“„Alright.“, kommt es halblaut und wenig entschlossen aus den Stuhlreihen vor der Bühne zurück.
„Das geht besser“, sagt der Mann mit dem Mikrofon, der sich vor fünf Minuten als „Junger Schwede“ vorgestellt hat. Die andern da vorn heißen „Alter Schwede“, „Midnight Mark“, „Kai“ und „Andrew“. Außer den Sportschuhen tragen sie lange oder kurze Sporthosen und Trikots mit schwarzen Streifen. „Okay?“ „Alright.“ Immer noch nicht so richtig überzeugend. Junger Schwede tröstet sich mit „Na, wir haben ja noch den ganzen Tag Zeit, das zu üben“ und stellt das Tagesprogramm vor.
Wir sind bei „Spirit of Football“ in der Aula der Hauptschule Innenstadt West. Zu Besuch sind die Klasse DZKSOB des Robert-Schuman-Berufskollegs, eine Klasse zur Vorbereitung auf den Berufsschulunterricht mit dem Schwerpunkt „Deutsch als Zweitsprache“ und zwei Klassen des Paul-Ehrlich-Berufskollegs. Seit 25 Jahren unterrichtet das Paul-Ehrlich-Berufskolleg Klassen mit dem Schwerpunkt Deutsch als Zweitsprache (DaZ) und außerdem bekommt das Kolleg in dieser Woche das Siegel „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“ überreicht. Das wird mit verschiedenen Veranstaltungen gefeiert, unter anderem mit diesem Projekttag und dem „Spirit of Football“. An insgesamt drei Tagen ist der Geist in der Hauptschule Innenstadt West zu Besuch und beschäftigt jeweils drei Klassen.
„Spirit of Football“ ist ein Verein von Fußballbesessenen, angeführt vom Andrew J. Aris, der irgendwann nach Deutschland zog, weil er in einem Land leben wollte, in dem Fußball gespielt wird. Nach Beendigung seiner Profi-Fußball-Karriere beim Drittligisten Rot-Weiß-Erfurt, gründete er „Spirit of Football“, um seine Freude an diesem Sport mit anderen zu teilen, um die „Weltsprache Fußball“ mit den „Themen des interkulturellen und Globalen Lernens“ und „seine zentralen Werte Teamgeist, Fairplay, Respekt und Spaß“ zu vermitteln; so steht es auf der Homepage des Vereins.
Im Verlauf des Projekttages werden für die Schüler drei Workshops angeboten, die alle Klassen in gemischten Gruppen durchlaufen müssen: Graffiti, Globales Lernen, Play-Fair-Fußball.
Kai Siegel leitet den Graffiti-Workshop. Er trägt eine umgedrehte Baseball-Cap und hat blaue Farbe an den Fingern. Nach einer kurzen Einführung in die Geschichte des Graffiti über „Taggs“ und „Bombing“ hin zum „Wild Style“, bekommen die Schüler gezeigt, wie man Buchstaben wie riesige Blöcke aussehen lässt. Als nächstes sollen sie selber Graffitis entwerfen, schließlich geht’s nach draußen zum Sprayen. Vorher gibt’s aber noch einen Tipp vom Künstler: „Jacken auf links ziehen. Das machen die Profis auch so. Wenn einen dann die Bullen anhalten, finden die keine Farbe auf deiner Jacke, weil du die nach dem Sprayen natürlich wieder auf rechts ziehst. Und du kriegst keinen Ärger mit Mama wegen Farbe auf der Jacke.“
Auch wenn es so klingt, bei Kai haben wir es nicht mit einem Sprayer auf Hafturlaub, sondern mit einem diplomierten Architekten zu tun, der vielseitig interessiert ist. Nebenbei erklärt er den Kids auch, wo man Sprayen darf und wo nicht. „Okay?“, fragt Kai. „Alright“, antworten die Schüler und krempeln ihre Jacken um.
Draußen vor der Schule spannt Kai Folie zwischen den Stutzpfeilern des Vordachs auf und erklärt noch kurz wie man so einen Spraydose überhaupt zu halten hat und wie man einen feinen Strich hinbekommt. „Und bloß nicht auf die Wand sprühen. Sonst kriegt der Hausmeister nen Hals von der einen bis zur andern Schulter.“ Und dann geht’s los. Schnell wird aus der weißen Folie ein buntes Durcheinander an Strichen, Symbolen und Schriftzeichen. Bunter Farbdampf zieht durch die Frühlingsluft und es müffelt nach Lackierwerkstatt: „Taggt doch mal euern Namen“, fordert Kai. „Ich glaub nicht, dass hier so viele ACAB heißen.“ Dazu greift er selbst zu Spraydose und macht vor, was er gerade im Klassenraum theoretisch beschrieben hat. Sofort werden Unterschiede zwischen Profi und Amateur deutlich. Irgendwie wachsen Kais Buchstaben aus der Folie und werden in ihrer Intensität und Mehrdimensionalität richtig aufdringlich. Anschließend ist erstmal Frühstückspause und Zeit mit Frau Horster vom Paul-Ehrlich-Berufskolleg zu sprechen. Sie hat das Team aus Erfurt eingeladen. Horster unterrichtet seit sieben Jahren am Paul-Ehrlich-Berufskolleg.
Über ihre Mitarbeit beim BVB-Fanprojekt hat sie den Verein „Spirit of Football“ kennengelernt und weiß seitdem die integrative Kraft der Erfurter zu schätzen: „Die ziehen alle Schüler mit. Ich wollte die unbedingt hier haben, damit die Schüler erleben können, was Integration bedeutet. Deshalb mischen wir auch alle drei Klassen.“
„Globales Lernen“ steht als nächstes auf dem Programm und wir treffen „Junger Schwede“ wieder. Er heißt eigentlich Sven Soederberg und ist der stellvertretende Vorsitzende des Vereins. Ein Beamer ist aufgebaut. Junger Schwede moderiert gemeinsam mit Alter Schwede, Björn Sandström, der vor anderthalb Jahren von Schweden nach Deutschland umgesiedelt ist und jetzt mit „Spirit of Football“ auf Tour geht.
Zu jeder Fußball-Weltmeisterschaft macht sich der Gründer des Vereins Andrew mit anderen Vereinsmitgliedern auf die Reise zum Gastgeberland der jeweiligen Fußballweltmeisterschaft. Mit dabei haben sie immer einen Fußball, mit dem sie mit den Menschen, die ihnen auf ihrer Reise begegnen, spielen und auf dem sie Unterschriften sammeln; und eine Kamera, mit der sie ihre Erlebnisse aufzeichnen. Auf dem Weg nach Brasilien haben sie zuletzt 25 Länder bereist und 18.500 Unterschriften gesammelt. Robert Lewandowski hat unterschrieben und auch Jürgen Klopp, was in einem Film zu sehen ist, den die beiden Schweden präsentieren. Ebenfalls auf Film gebannt: Fußball am Strand, in einer Moschee und über Mauern hinweg. Außerdem kicken Menschen mit Down-Syndrom und buddhistische Mönche mit.
Von der letzten Reise und davon, was so toll an Fußball ist, handelt die Präsentation von Junger und Alter Schwede, die danach die Schüler auffordern von ihren Fußballerlebnissen zu berichten und darüber nachzudenken, was Fußball für sie selbst bedeutet.
Zum Abschluss dürfen alle auf einem mitgebrachten Fußball unterschreiben, der muss aber vorher geköpft werden. Und dann wird Fußball gespielt. In der Sporthalle empfangen Marc-Manuel Moritz, der Schatzmeister des Vereins, und Andrew J. Aris persönlich die Schülerinnen und Schüler zum Zocken.
Zuerst aber wird gesprochen. Darüber, was Fußball ausmacht („Fair-Play“, „Teamwork“, „Courage“, „Leidenschaft“) und wie gleich Fußball gespielt werden soll. Die Schüler sitzen mit Andrew und Marc im Kreis und unterhalten sich darüber. Dann werden Mannschaften gebildet. Bevor es zum Ballkontakt kommt, müssen sich alle Teams einen Namen geben und einen gemeinsamen Schlachtruf ausdenken. Den stellen sich die Mannschaften anschließend vor. Schon wollen sich die ersten auf den Ball stürzen, da kommt die Anweisung von Andrew: „Erst wünschen wir uns viel Glück.“ Andrew macht es vor. Er geht zum gegnerischen Spieler, schüttelt ihm die Hand: „Ich wünsche dir ein ganz tolles Spiel.“ Die Schüler tun es ihm gleich und dann ist der Ball endlich im Spiel.
Andrew spielt auch mit, dabei kommentiert er das Spiel: „Ganz toller Pass, Ali.“ „Super Angriff, Selma!“ „Wahnsinn, wie du das machst!“
Nach Spielende trifft man sich wieder im Kreis. „Wie hat euch das Spiel gefallen?“, fragt Andrew. Alle sind mit dem Spiel sehr zufrieden und von den freundlichen Umgangsformen angetan. Den Mädchen hat es gut gefallen, angespielt zu werden und Dilara hat sogar ein Tor geschossen.
Zwei weitere dieser Spielrunden werden noch folgen, dann trifft man sich wieder im Kreis. Der Ball wird von Schüler zu Schüler im Kreis weitergerollt. Wer den Ball hat, darf etwas sagen. „Das hat Spaß gemacht.“, sagt Wladi. „Wir haben gut zusammen gespielt.“ Selma stimmt zu und ergänzt: „Sonst habe ich immer Angst, den Ball ins Gesicht zu bekommen. Das war hier ganz anders.“
Und Herr Bräuer?
Ich hab‘ mich geärgert, als Wladi mir den Ball ins Tor gehauen hat, schließlich hatte ich bis dahin meine Kiste sauber gehalten. Und ich habe gemerkt, wie gut Omaima dribbeln kann.
Zum Abschluss gibt es noch ein paar Worte von Andrew mit auf den Weg: „Ich bin jetzt 37 Jahre alt und ich habe gemerkt, wie schnell man älter wird und wie kurz das Leben ist. Viel zu kurz, um Blödsinn zu machen und es wegzuwerfen. Ich habe für mich lange Zeit eine sinnvolle Aufgaben gesucht und sie schließlich hier im ‚Spirit of Football‘ gefunden. Sucht euch auch eine sinnvolle Aufgabe. Macht etwas aus eurem Leben. Okay?“
„Alright!“, kommt diesmal ziemlich schnell und geschlossen die Antwort.
Markus Bräuer für die DAZ-Klassen